Den Tieren eine Stimme geben: Daisy

Mein Name ist Daisy und ich wurde auf einem kleinen Bauernhof in der Südoststeiermark geboren. Am Tag meiner Geburt hat es sehr stark geregnet und meine Mama war mit den anderen Kühen bereits im sicheren Stall, um ihr Heu zu fressen. Als ihre Wehen einsetzten, kam der Bauer dieses kleinen Hofes gemeinsam mit seiner Frau in ihren Stand, um mich herauszuziehen. Hui, das kitzelte, als ich an meinen kleinen Beinchen gepackt und aus meiner Mama gezogen wurde. Ich plumste neben ihr in das goldene Stroh und habe erst einmal gar nichts gesehen. Dann begann mich Mama vorsichtig mit ihrer warmen, weichen Zunge von oben nach unten abzuschlecken und mich so zu putzen und endlich konnte ich meinen kleinen Augen aufmachen. Oh, wie schön Mama war. Ich habe ihre großen, dunklen, gütigen Augen gesehen und sie- so gut ein Kälbchen eben lächeln kann- angestrahlt. Meine Mama.

Kurz nach diesem wundervollen Erlebnis und diesem ersten Kontakt zwischen uns kam der Bauer wieder zurück und hat mich aufgehoben. Ich bekam Angst, da ich nicht wusste, was er mit mir vorhat, aber ich beruhigte mich schnell, da Mama ja in meiner Nähe war. Er legte mich in eine kleine Box mit Stroh und gab mir einen Eimer mit Milch und Wasser zu trinken. Das schmeckte ekelhaft und ich wollte es auch nicht anrühren, da doch meine Mama Milch für mich hatte. Also beschloss ich zu warten, bis ich wieder zu ihr zurückkehren dürfte. Ich wartete stundenlang, tagelang, monatelang. Ich habe nach ihr gerufen, habe viel geweint, da ich mich so alleine fühlte, und auch Mama rief immer wieder nach mir- weit entfernt. Nur wir durften uns nie wiedersehen, denn die Milch, weißt du, die Mama für mich hatte, die ist für euch Menschen bestimmt.

Ich wartete und wartete, durfte nie aus meiner kleinen Box hinaus und bekam jeden Tag diese künstliche Milch zu trinken. Niemals habe ich das Gras der saftigen Weiden gekostet oder die Sonne auf meinem Fell gespürt. Ich war monatelang in diesem kleinen Stall eingesperrt.

Eines Tages fuhr ein großer LKW im Hof vor und der Bauer legte mir einen Strick um meinen Hals. Ich hatte noch einmal die Hoffnung, dass alles gut werden und er mich nun doch zu meiner Mama bringen würde, doch diese hat sich leider nicht erfüllt. Ich musste die steile Rampe dieses Transporters hinaufklettern, in dem es sehr heiß und stickig war und wurde mit vielen anderen Kälbchen zu einem Schlachthof gefahren, wo mein kurzes Leben endete.

Mein Name war Daisy und ich war das, was ihr ein Milchkalb nennt.

(Anm.: Für Daisy, die ich kennen lernen durfte, diesen Namen gegeben und der ich versprochen habe, ihre Geschichte zu erzählen.)